wehen, sehen, Besen…

Erika Kraus

2013

öffentlich zugänglich

Haus für Kinder Paul-Gerhardt-Allee 39, 81245 München

Fassade: Druck auf Zementfaserplatten, 4,6 m x 13,4 m und 4,4 m x 3,9 m; Innenraum: Druck auf Wandputz, 2,3 m x 2,8 m; Spiele: Druck auf Holz & Karten

Architektur: Zwischenräume Architekten + Stadtplaner, München

Landschaftsarchitektur: Landschaftsarchitekten lohrer.hochrein, München

Fotos: Hans Engels

Text: Roberta De Righi

wehen, sehen, Besen…
wehen, sehen, Besen…
wehen, sehen, Besen…
wehen, sehen, Besen…
wehen, sehen, Besen…

W – h – C – s – E – B – E – N. Auf den ersten Blick denkt man, bei der Reihenfolge der Buchstaben, die sich über die Fassade der Kindertagesstätte an der Paul-Gerhardt-Allee ziehen, müsse es sich um einen Fehler handeln. Nach kurzem Schauen und Nachdenken wird jedoch der tiefere Sinn deutlich und ein Wort sichtbar: „Schweben“. Weitere Lesarten sind möglich, etwa „Wehen“, „Sehen“, „Weben“, „Wesen“. Die Künstlerin Erika Krause schuf mit der Wandarbeit unter dem gleichlautenden Titel ein leise poetisches Kunstwerk, in dem Text und Bild miteinander verwoben sind. Beides wurde im Siebdruckverfahren auf die Fassadenplatten aufgebracht.

Federleicht schweben die Buchstaben im leichten Wirbel über die Wand. Das Wort beginnt in der Mitte der Hauptfassade, setzt sich, zunächst spiegelschriftlich, nach links fort und wird lesbar durch eine Wendung nach rechts, ehe es auf der zurückversetzten Wand des Eingangsbereichs endet. Die sechs Konsonanten und zwei Vokale werden begleitet von zarten Blättern, deren Silhouetten – fast wie im Anschauungsmaterial aus dem Naturkundeunterricht – eher statuarisch an der Wand prangen. Alle Blätter kommen bei den Bäumen in der Umgebung vor; während die Ahornblätter der Straßenfront nur als helle Umrisse dargestellt sind, weisen das dunkle Buchen-, Ahorn- und Lindenblatt an der zurückliegenden Eingangswand eine filigrane Binnenzeichnung auf.

In Erweiterung dessen hat Krause für die Kinder in Hort und Kindergarten Spiele entwickelt, ein Memory und ein Würfel-Puzzle. Im Memory-Spiel finden sich die Blätter der Fassade wieder, ergänzt um Bäume und Sträucher des Gartens mit deren Blättern und Früchten. Im Würfel-Puzzle ergeben die Blattformen mit den Buchstaben ungeordnet abstrakte Formen. Das Ordnen und Zusammenlegen entführt in die vielfältige Formenwelt der Pflanzen; neben der visuellen ist es eine haptische Erfahrung, die vielleicht beim nächsten Streifzug durch den Garten den Blick auf die Natur verändert.

Die Künstlerin inszeniert einen leicht surrealen Gegensatz zwischen Wort und Bild: Hier das unbewegte Laub, dort die wirbelnden Buchstaben. Während das spitze Blatt des Ahorns, das sanft gerundete der Buche und das leicht herzförmige Lindenblatt vor allem als großflächiges Ornament zur Wirkung kommen, wird das dem Wort innewohnende Prinzip des Schwebens in der Schreibweise anschaulich. Erika Krauses „Wortmalerei“ ist quasi eine Transformation der dadaistischen Lautpoesie. „Schweben“ versinnbildlicht eine elementare Auffassung von Kunst: Sehen heißt Verstehen.

wehen, sehen, Besen…
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