PATTERN OF FAME

Nevin Aladağ

2023

auf Anfrage zugänglich

Erweiterungsbau des Asam-Gymnasiums in der Schlierseestraße 20, 81539 München

17 Terrazzo-Fliesen und Messing, jeweils 90 x 90 cm

Architektur: Hirner & Riehl Architekten, München

Fotos: Florian Holzherr

Text: Lydia Korndörfer

PATTERN OF FAME
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Die ortsspezifische Installation „Pattern of Fame“ von Nevin Aladag referiert auf den namensverwandten „Walk of Fame“ in Hollywood, ist jedoch nicht als Touristenattraktion angelegt. Genau genommen sind Aladags ‚Stars‘ nämlich allein für die Schüler:innen und Lehrer:innen des Asam-Gymnasiums in Obergiesing zu sehen, wobei die Künstlerin – in Anlehnung an das amerikanische Original – im Zusammenspiel aus Form und Schrift eine völlig neue Komplexität entstehen lässt.

Auf dem Boulevard in Hollywood wird durch die doppelte Konnotation des englischen Wortes „Star“ eine leicht zu verstehende Botschaft vermittelt: Hier werden die am hellsten leuchtenden Figuren aus der Unterhaltungsbranche geehrt, die auf diesem Planeten zu finden sind, die Stars, indem ihre Namen in die symbolhafte Form eines funkelnden Himmelskörpers, eines Sternes, gefasst werden. Nevin Aladag greift diese reduzierte Ästhetik auf. Siebzehn von der Künstlerin entworfene, 90 x 90 cm messende Terrazzoplatten wurden auf dem Boden des Asam-Gymnasiums verlegt. Sie sind in zwei Bereichen des Schulgebäudes zu finden: in der Verbindungsbrücke zwischen dem ursprünglichen Bau aus den 1960er Jahren und dem neuen, fünfgeschossigen Erweiterungsbau von Hirner & Riehl Architekten, sowie in einem Lichthof des neuen Schulgebäudes. Wie in Hollywood sind die quadratischen Platten mit schwarzem Grund und der zentralen, altrosa Bildfigur auch hier aus Terrazzo gefertigt. Bei Aladag sind jedoch sowohl die äußeren Ränder der großformatigen Bodenfliesen als auch die Konturen der ornamentalen Elemente in Messing gefasst und die jeweilige Widmung findet sich nicht im Muster selbst. Sie ist am unteren rechten Rand in Kapitälchen zu lesen.

Die komplexen Figuren, die sich auf den Platten entdecken lassen, scheinen den gesamten geometrischen Formenkreis zu bedienen. Sie wurden von der Künstlerin weltweit zusammengetragen und durch Muster ergänzt, die die Schüler:innen des Asam-Gymnasiums im Münchener Stadtraum gesammelt haben. Der Blick der Künstlerin und der Schüler:innen fiel dabei auf Fenstergitter, Fassadenverzierungen, Gullideckel oder andere Details des Urbanen. In Kombination mit der Beschriftung scheinen die ausgewählten Bildfiguren in „Pattern of Fame“ zu symbolhaften Repräsentationen stilisiert, die stellvertretend für bestimmte Orte in München und der Welt auftreten. Im Gegensatz zur Erfahrung in Hollywood gerät hier die Zuschreibung jedoch häufig in Konflikt mit dem Erwarteten. Bei der genaueren Betrachtung der Tafeln verschränken sich Lokales und Globales. Anstatt der Unterschiede werden vor allem die Ähnlichkeiten ersichtlich: So liegen – allesamt in das quadratische Formenspektrum gefasst – Perlach, Hongkong und Kalkutta denkbar nahe beieinander. In Kreise gefasste Ornamente lassen Kairo und Tel Aviv in greifbare Nähe rücken. Diese beiden Formen scheinen schließlich unmittelbar verwandt mit jenen, die an der Münchener Residenz, der Frauenkirche und in Giesing zu finden sind.

Die Frage nach dem Ursprung der Muster lässt sich also doch nicht so leicht beantworten wie suggeriert. Und eben da setzt das künstlerische Konzept Aladags an, das – ebenfalls mit Konzentration auf die Bedeutung des Ornaments – bereits in anderen Arbeiten wie beispielsweise in „Social Fabric“ (seit 2017) oder durch die auf der documenta 14 ausgestellte Skulptur „Jali“ (2017) zum Ausdruck kam. Die Beschäftigung mit Ornamenten und Mustern zeigt sich im Werk der Künstlerin äquivalent zur Auseinandersetzung mit Musik. Beide Sujets verhandelt Aladag als international verständliche Sprachen oder Zeichensysteme, die sich ungeachtet von Ländergrenzen entwickeln. Auf abstrakter Ebene berührt sie damit schließlich eine der brandaktuellen, gesellschaftspolitischen Problematiken: die Frage nach Herkunft, Identität und Zugehörigkeit. Es ist ein Thema, mit der die in Stuttgart aufgewachsene und heute in Berlin lebende Künstlerin, deren Familie aus der Türkei emigrierte, selbst immer wieder konfrontiert wird. Vor diesem Hintergrund scheint die Präzision der Arbeit „Pattern of Fame“, die im Vorbeigehen stereotype Weltsichten auf den Kopf stellt, also wenig verwunderlich. Ohne belehrende Haltung werden Schüler:innen und Lehrer:innen hier täglich daran erinnert, wie mannigfaltig die Hintergründe sind, die nicht nur diese Formen an verschiedene Orte der Welt gebracht haben, sondern – äquivalent – auch jede:n unserer Mitmenschen.

Das drückt sich schließlich auch auf formaler Ebene aus: Der hier gegebene Einblick in das von Aladag entwickelte Formenvokabular erinnert an die schematische Darstellung physikalischer Teilchen und chemischer Verbindungen und scheint damit in dem naturwissenschaftlich-technologisch orientierten Asam-Gymnasium ein passendes Umfeld zu finden. So wird deutlich, dass die aus ihrem Kontext herausgelösten Ornamentfragmente, einzelne Elemente also, niemals stellvertretend für das Ganze stehen können. Hier wird eben nicht die Frauenkirche, nicht Paris und nicht Tokio abgebildet, sondern nur ein winziger Teil dieser Gebäude und Orte. Das Gesamtbild, oder Ganze, würde bekanntlich nur in der Summe aller Teile ersichtlich werden. Ein solcher Verbund verschiedener Elemente findet jedoch nicht nur in der Physik und Chemie, sondern auch in der gesellschaftlichen Realität seine Entsprechung. So lässt sich auch der Gesellschaftskörper, der Kulturkreis und schließlich die Menschheit selbst als ein Konvolut einzelner, unterschiedlicher Teile begreifen, die trotz oder gerade aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit aufeinander reagieren, Verbindungen eingehen und ein Ganzes bilden.

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