2024

auf Anfrage zugänglich

Kindergarten Haimhauserstraße 17, 80802 München

Fotografie, Inkjet Druck, Schichtstoffplatte, drei Bildtafeln zu je 125 cm X 187 cm

Architektur: Braun Architekten, München

Landschaftsarchitektur: Clemens Fauth Landschaftsarchitekten, Stadtplaner, Ingenieure, Berg

Fotos: Florian Holzherr

Text: Katrin Bauer

Von einer bewaldeten Meeresküste bis hin zum Horizont erstreckt sich das weite, glitzernde Blau. Ein sanfter Wind kitzelt das Gesicht. Unter uns, das Rauschen der Meereswellen. Darüber, kreischende Möwen, fröhlich in der Luft umherkreisend. Es riecht nach Salz und Abenteuer.

„Wo würden wir ankommen, wenn wir von hier aus einfach geradeaus loslaufen würden?“ Eben diese Frage stellte sich auch der Fotograf Jon Etter, als er damit begann, sein Kunst-am-Bau-Projekt für den neuen Spiel- und Freiraum im Zuge der Generalinstandsetzung der städtischen Kindertagesstätte an der Haimhauser Straße 17 in Altschwabing zu konzipieren. Etters Fotoinstallation „Meerblick“ (2024) nimmt uns mit auf eine Gedankenreise, bis zum sogenannten „land’s end“ – dem äußersten Punkt eines Landes, der bis ins Meer ragt. Bestehend aus drei großformatigen, nahezu nahtlos verlaufenden Landschaftsfotografien werden die an einem Zaun montierten Bildtafeln zu Trägern möglicher Geschichten. Denn sie zeigen eine Panoramaansicht des malerisch-rau anmutenden Nationalparks Wolin, situiert unweit der deutsch-polnischen Grenze.

Ein Spielplatz mit Blick aufs Meer? Warum nicht! Insbesondere seit der romantischen Malerei versteht sich der sogenannte „vista mare“ als ein traditionsreiches Bildmotiv für Künstler:innen. Nicht nur um innere Gefühlswelten wiederzugeben, sondern auch um Themen wie Aufbruch, Harmonie oder die Erforschung neuer Herausforderungen darzustellen. Gerade weil das Meer die Vielschichtigkeit menschlicher Erfahrungen so komplex widerzuspiegeln vermag, agiert Etters Kunstwerk an diesem Standort auch als Impulsgeber für das spielerische Denken und Handeln.

Den Zaun als physische Schwelle wandelte der Schweizer Künstler dafür kurzerhand zum Sockel für sein Vorhaben um – und transformiert seine Fotoinstallation damit zu einem verbindenden Element, das sowohl den Grenzverlauf zwischen Außen und Innen aufweicht, wie auch die Rezipient:innen auf eine Entdeckungsreise an die Grenzen Europas mitnimmt. Bildlich wie räumlich spielt Etter dabei bewusst mit visuellen Bruchstellen: „Brüche und Doppelungen sind durchaus wünschenswert, da sie kleine Irritationen erzeugen und den Blick auf Details lenken“, so die Worte des Künstlers zu seinen Fotografien.

Um die Begrenzung durch den Zaun zu umgehen, knüpft Etter bewusst an die Dynamiken des angrenzenden Kletterturmes auf dem Spielplatz an. Die Perspektive der Kinder wird damit nie vor, sondern immer auch in seine Kunst platziert. Das fotografische Panorama schneidet damit nicht nur ein metaphorisches Zeitfenster in den öffentlichen Raum, sondern fördert auch den Weitblick der Kinder – vor allem, wenn diese auf dem danebenliegenden Kletterturm spielen und auf das Kunstwerk blicken. Indem er die Grenzen des Dokumentarischen perspektivisch auslotet, erweitert Etter den in sich begrenzten Innenhof zu einer Bühne, auf der Widersprüchliches aufeinandertreffen darf. Ein Kippmoment, der die Imagination und Entwicklung eines jeden Kindes fördert.

Kontext

Das QUIVID-Kunstwerk „Meerblick“ des in Zürich lebenden Fotografen Jon Etter entstand für den Kindergarten in der Haimhauserstraße 17 im 12. Stadtbezirk Schwabing-Freimann im Rahmen der Generalsanierung und Erweiterung des Gebäudes. Bei dem Bauvorhaben handelt es sich um ein Projekt der Ausbauoffensive Kindertagesstätten. Der Künstler wurde von einer durch die Kommission für Kunst am Bau und im öffentlichen Raum erstellten Vorschlagsliste für das Projekt ausgewählt und eingeladen, einen Entwurf speziell für den Schwabinger Kindergarten zu entwickeln und zu realisieren.