Malwerkstatt für den Untergrund
Mutter/Genth
2010
auf Anfrage zugänglich
Kanalbetriebsstation Ost, Otto-Hahn-Ring 65, 81739 München
Gemälde: Ölfarbe auf Leinwand, 364 cm x 140 cm
Großplakate im Stadtraum: 5 Bildausschnitte, 356 cm x 252 cm
Architektur: Gerhard Bodenmüller (Ost) und Haindl + Kollegen (West)
Fotos: Mutter/Genth
Text: Birgit Sonna
Selten dürften sich journalistische Recherche und hochgradige Verschlüsselung in einem Projekt für Kunst am Bau so verschränken wie in diesem gemalten Panorama von Mutter/Genth. Über viele Wochen hinweg befragten die beiden Hamburger Künstler:innen die Belegschaft im Betriebshof der Münchner Stadtentwässerung nach ihren realen Arbeitsbedingungen, Vorlieben, Abneigungen, Erkennungsmerkmalen, familiären Verhältnissen und religiösen Zugehörigkeiten.
Und auch bis in den Untergrund stieg das Künstler:innenduo zusammen mit den Kanalarbeitern hinab, um deren von allerlei Kuriositäten gesäumten Alltag zu erforschen. Entstanden ist eine buchstäblich partizipatorische Malerei, weil sie von den Aussagen der Belegschaft lebt. Eingebettet in eine wie erträumte Hügellandschaft entfaltet sich das Gruppenporträt anekdotisch. Heike Mutter und Ulrich Genth beauftragten Illustratoren für die Monumentalkomposition.
Das Finish, vor allem aber die Köpfe der Figuren malten sie größtenteils selbst. Der Teufel liegt im Detail oder genauer gesagt in der Kodifizierung. Jeder Mitarbeitende wird sich nach dem von ihm enthüllten Persönlichen schnell wieder erkennen – die Kolleg:innen nur nach Maßgabe dessen, was die jeweiligen Interviewten preisgeben. Der Abstraktionsgrad oder die Symbolhaftigkeit wird zum Filter für den Schutz der Privatsphäre.
In der fast schon an Rätselbilder von Hieronymus Bosch erinnernden Allegorie schließen sich Mysterien auf und ein. Wie etwa in der spätgotischen Wandmalerei sind simultan mehrere Geschichten erzählt. Und so haben Mutter/Genth die mittelalterliche Idee der Malwerkstatt mit neuer, sozialspezifischer Bedeutung aufgeladen.