Hortus Parvulorum
Wolfgang Groh
2024
auf Anfrage zugänglich
Neubau Haus für Kinder Fortnerstraße 11, 80933 München
Plastische Realisierung der Figurengruppe: Elisabeth Wieberneit
Figurengruppe: Bronze, unterschiedlich patiniert, ca. 60 x 80 x 80 cm; Sockel: Beton, 70 x 90 x 90 cm; Forum: 400 x 400 cm
Boden: Fallschutzbelag lichtgrau; Sitzbänke: Beton; Komposter: Beton, HPL-Platten, 80 x 90 x 140 cm;
Krone: Bronze, Durchmesser 23 cm
Zwei Duo Obstbäume mit jeweils zwei unterschiedlichen Sorten an Kern-und Steinobst
Architektur: Entwurf: Meissler Architekten, München. Werkplanung und Bauausführung: Asböck Architekten, München
Landschaftsarchitektur: mahl·gebhard·konzepte Landschaftsarchitekten, München
Fotos: Judith Buss Fotografie
Text: Roberta De Righi
Was ist Natur? Sind Mensch und Natur Gegensätze? Ein Baum, an dem zweierlei Früchte wachsen, ist auf den ersten Blick ein Wunder. Auf den zweiten die gelungene Veredelung von Obstgehölz. Im „Hortus Parvulorum“, Wolfgang Grohs Kunstwerk für die Kindertagesstätte an der Fortnerstraße, ist die – vom Menschen überformte – Natur ein selbstverständlicher Teil der Kunst.
„Hortus Parvulorum“ bedeutet wörtlich übersetzt Kindergarten. Weil in der Einrichtung mit weitläufigem Garten die Umwelt eine wichtige Rolle spielt, ist auch die Kunst darauf ausgerichtet. Mit vier verschiedenen Elementen hat Groh einen Lehr- und Erlebnisort im Außenraum definiert: Einen kleinen, quadratischen Platz im Grünen, an dem die Kinder mit den Naturpädagog:innen Pflanzen- und Tierwelt erkunden und sich austauschen können.
Die vier mal vier Meter große Fläche mit Fallschutzbelag ist an zwei Seiten von einer Eckbank aus Beton umgeben. An zwei Ecken wiederum pflanzte der Münchner Künstler je ein veredeltes Bäumchen mit Kern-, bzw. Steinobst. Im Sommer können die Kinder und Erzieher:innen an dem einen zwei verschiedene Apfelsorten, an dem anderen kleine Mirabellen und dicke Pflaumen wachsen sehen.
Aber die Arbeit stellt nicht nur konzeptuell den Umgang mit Natur in den Fokus, sondern macht ihn auch bildhaft zum Thema. Im Mittelpunkt steht auf einem Sockel in Augenhöhe für Kinder eine Figurengruppe aus patinierter Bronze. Sie wurde geschaffen von der Bildhauerin Elisabeth Wieberneit und zeigt vier kleine Kinder, zwei Mädchen und zwei Jungen, die schwer beschäftigt sind: Zwei stehen direkt auf dem Sockel und strengen sich an, einen Stapel aus Balken im Gleichgewicht zu halten. Was besonders schwierig ist, denn auf den vier aufeinandergeschichteten Balken balancieren zwei weitere Kinder, die wiederum eine üppige Girlande mit Obst und Blättern tragen.
Die Girlande ist von antik-römischen Darstellungen inspiriert, in denen sie ein Symbol für die Feier der Natur und ihrer Früchte als Gabe der Götter gewesen ist. Doch die Plastik zeigt auch: Es bedeutet eine große Mühe, das fragile Gleichgewicht aus Natur und Mensch in der Balance zu halten.
An der Ecke des kleinen Platzes zum Kita-Gebäude hin steht darüber hinaus ein verschlossener Schrank, der eine Krone trägt. Eine Schatztruhe also? Ja und nein. Hinter ihrer verschlossenen Tür vollbringen die „Komposttiere“ ihr Werk. Man füttert sie mit biologischen Abfällen, sie machen daraus wertvolle Erde. Sie bleiben für uns unsichtbar, aber eine Horde Kleinstlebewesen sorgt hier dafür, dass der Garten fruchtbar bleiben kann, und die Bäume auch morgen noch Früchte tragen. Dafür haben sie allemal eine Krone verdient.
„Ein Garten ist kein Gegenstand, sondern ein Prozess“[1], schrieb einst der schottische Schriftsteller und Künstler Ian Hamilton Finlay. Und Wolfgang Groh macht im „Hortus Parvulorum“ diese Entwicklung als Kreislauf aus Werden und Vergehen deutlich.
[1] Ian Hamilton Finlay, Unconnected Sentences on Gardening, in: “Nature over again after Poussin”, Ausstellungskatalog Glasgow, Collins Exhibition Hall, 1980, o. S.
Kontext
Das QUIVID-Kunstwerk „Hortus Parvulorum“ des in München lebenden Künstlers Wolfgang Groh entstand für den Neubau des Haus für Kinder in der Fortnerstraße im Stadtbezirk 24 Feldmoching-Hasenbergl. An diesem Standort ging schon Mitte der 1950er Jahre die erste Münchner Kinderkrippe in Betrieb. Das neue Haus für Kinder, ein Projekt der Ausbauoffensive Kindertagesstätten, wird als Integrationseinrichtung mit zusätzlichen Räumen für Therapieangebote geführt. Der Künstler wurde von einer durch die Kommission für Kunst am Bau und im öffentlichen Raum erstellten Vorschlagsliste für das Projekt ausgewählt und eingeladen, ein ortsspezifisches Kunstwerk für den Neubau zu entwickeln und zu realisieren.