2024
öffentlich zugänglich
Betriebshof Straßenunterhalt Mitte und Parkraummanagement, Görzer Straße 38, 81669 München
Aluminium, Unterkonstruktion: Stahl, verzinkt
Skulptur an Fassadenecke in 11 m Höhe, Maße Skulptur: 410 x 257 x 236 cm
Architektur: Claudia Schreiber Architektur und Stadtplanung, München
Landschaftsarchitektur: Wankner und Fischer Landschaftsarchitekten und Stadtplaner, Eching
Fotos: Peter Neusser
Text: Quirin Brunnmeier
Wie eine abstrakte Galionsfigur wirkt die massive Skulptur, die an der südöstlichen Ecke der Fassade des neuen Betriebshofs in der Görzer Straße angebracht ist. Sowohl von der Görzer Straße als auch von der Chiemgaustraße aus sichtbar, sticht das Objekt über die obere Kante der Fassade heraus und überstrahlt die urbane Umgebung. Die Aluminiumkonstruktion ist klar nach außen gerichtet, wirkt robust und dennoch filigran. Die Skulptur „Extraeck“ des Künstlerduos L+S (Lutz-Rainer Müller und Stian Ådlandsvik) hebt sich von der sie tragenden Architektur ab, die organischen Formen aus Metall stehen im Kontrast zu den klaren geometrischen Strukturen der fensterlosen Holzfassade. Wie bei einem überdimensionierten Kaugummi, der an das Gebäude geklebt wurde, kann man an den metallischen Oberflächen deutlich die Abdrücke von Händen und Fingern erkennen.
Diese Spuren einer gestischen Handbewegung bleiben als gestalterisches Element deutlich erhalten und sind im Produktionsprozess angelegt. Die Skulptur bildet eine grobe, von Hand gefertigte Form aus Tonerde ab, die an einem Architekturmodell im Maßstab 1:25 angebracht wurde. Das Modell wurde mit modernen Bildtechniken dreidimensional gescannt und die digitale Form auf die Größe der Architektur skaliert. Diese elektronische Version war die Grundlage für die Umsetzung der Skulptur in einzelne Segmente aus Aluminium, die schließlich zusammengesetzt an der Fassade angebracht wurden. In diesem Objekt treffen zwei Materialien aufeinander, deren unterschiedliche Eigenschaften sich in Gestalt ihrer Formgebung und Oberfläche gegenseitig bedingen. Schwere, grobe Erde wird präzise in schimmerndes Leichtmetall transferiert. Diese Umkehrung von Materialität und Form ist auch ein Verweis auf den Tätigkeitsbereich des Straßenunterhalts, wo die Infrastruktur unter anderem durch das Stopfen von Straßenlöchern mit verschiedenen groben Materialien in Stand gehalten wird. Auf den so geschaffenen Ebenen rollen die Autofelgen aus Leichtmetall.
Zweidimensionalität und Dreidimensionalität, Masse, Oberfläche, Material, Volumen und Kontext sind die Grundparameter aller skulpturalen Objekte. In ihrer Arbeit „Extraeck“ spielen Lutz-Rainer Müller und Stian Ådlandsvik mit diesen Grundbedingungen. Sie wechseln das Material und verbinden eine ursprüngliche, gestische Formgebung mit Prozessen aus der Hochtechnologie. Durch die dramatische Veränderung der Dimension lösen sie die ursprüngliche Form auf, schaffen neue inhaltliche Bezüge und ermöglichen eine andere Wahrnehmung der Details. Zudem nutzen die beiden Künstler die bestehende Architektur des Betriebshofs in der Görzer Straße als Ort der Präsentation, das Gebäude dient als Sockel für ihre skulpturale Intervention. Gebäude und Skulptur bedingen sich gegenseitig, ohne das Gebäude hätte die Skulptur buchstäblich keinen Halt.
Kontext
Das Künstlerduo L+S wurden zur Teilnahme an einem Kunst-am-Bau-Wettbewerb für den Neubau eines Betriebshofes für den Straßenunterhalt und das Parkraummanagement in der Görzer Straße im 16. Stadtbezirk Ramersdorf-Perlach eingeladen. Ihr künstlerisches Konzept „Extraeck“ an der Fassade der südöstlichen Gebäudeecke wurde 2021 von der Kommission für Kunst am Bau und im öffentlichen Raum zur Realisierung empfohlen.