Ein Geheimnis
Marijanca Ambos
2000
auf Anfrage zugänglich
Kindergarten Am Bauschweg 2, 80999 München
3 Vasen, Kalkstein, Durchmesser je 1m
Fotos: Marijanca Ambos
Text: Birgit Sonna
Gulliver oder ein anderer Riese könnte sie bei seiner letzten Abenteuerfahrt vergessen haben, die drei tonnenschwer in den Boden eingelassenen Gefäße. Wundersam ambivalent oszilliert ihr Erscheinungsbild zwischen einem spielerischen und funktionalen, zwischen einem märchenhaften und archäologischen Charakter. Scheinbar zur Hälfte im Sand eingebuddelt, haben Marijanca Ambos‘ Skulpturen etwas von archaischen oder zumindest frühantiken Behältnissen an sich. Wären sie aus Ton und nicht aus porösem Kalkstein, dann könnte man die Vasengebilde mit ihrem eher kurzen Hals und wulstigen Kragen leicht für verwitterte Amphoren halten.
Mit gutem Grund hat Marijanca Ambos Naturpigmente für die Bemalung der raffiniert einfachen Gefäße gewählt: In Sienarot, Eisenoxydrot und hellem Siena gehalten, fügt sich das Trio völlig selbstverständlich in die Gartenarchitektur ein, korrespondiert sogar mit den warmen Farbtönen des Kindergartenbaus. Auch die Formen wirken wie leise Variationen ein und desselben Themas. Auf den runden Bauch einer ‚Liegenden‘ antworten dialogisch eine aufrecht ‚Stehende“ und eine windschief in den Sand ‚Gesetzte‘.
Den Gebrauchswert haben die Kinder längst ausgelotet, die Gefäße werden beklettert, mit Sand gefüllt, als Versteck und Sitzgelegenheit benutzt. Ihr ganzes Geheimnis gibt das Skulpturenensemble trotzdem nicht preis. Denn dass es sich um Fragmente handelt, dass den körperhaften Vasen quasi der Unterleib fehlt, wäre nur festzustellen, wenn man sie ganz ausgraben würde. Doch kein Mensch verfiele auf die Idee, die figurinenhaften Skulpturen aus ihrer organoiden Sandinsel herauszulösen. Als ob sie seit Jahrhunderten hier schon platziert seien, verleihen die Gefäße dem Ort eine unverwechselbare Aura.