Test Pattern
Wawrzyniec Tokarski
2025
öffentlich zugänglich
Berufsschule für Farbe und Gestaltung Carl-Wery-Str. 41, 81739 München
2K-HS-Lack, IP-Folie, Bierlasur und Gold auf poliertem Edelstahl, Wandbereich 1: 2077 × 745 cm, Wandbereich 2: 583 × 780 cm
Architektur: V-Architekten, Köln
Landschaftsarchitektur: Latz + Partner LandschaftsArchitektur Stadtplanung, Kranzberg
Fotos: Peter Schinzler
Text: Bernhart Schwenk
Test Pattern („Testbild“) ist der Titel der beiden farbigen Wandbilder an unterschiedlichen Orten des Schulgebäudes: im Lichthof über der Pausenhalle und im zweiten Obergeschoss gegenüber einer Treppe. Das Kunstwerk spielt mit Farbkombinationen und Ornamenten, erinnert an grafische Tools zur Ausrichtung oder Anpassung von Maßstäben, an Referenz- und Kalibrierungsmuster. „Test Pattern“ bezieht sich also ganz bewusst auf Kriterien und Techniken, die an der Berufsschule für Farbe und Gestaltung bekannt und üblich sind. Aufgrund des Titels könnte man auch an das elektronisch generierte, sogenannte ‚Testbild‘ des frühen Fernseh-Zeitalters denken, das zum Tarieren von Farbeigenschaften und zum Justieren der Bilddarstellung verwendet wurde. Vor der Einführung der 24-Stunden-Fernsehprogramme wurde ein solches Testbild im öffentlichen Fernsehen nach ‚Sendeschluss‘ einige Minuten lang ausgestrahlt, bis die einzelnen Senderketten abgeschaltet und am Morgen wieder aufgeschaltet wurden. Bis Ende der 1980er Jahre stellte das nächtliche Testbild auf dem sonst bewegten Bildschirm eine faszinierende Leerstelle von fast meditativer Qualität dar.
Bei genauerer Betrachtung der beiden Wandbilder von „Test Pattern“ fällt auf, dass sich die Anordnung der Farbflächen einer berechenbaren Logik widersetzt. Manche Umrisse biegen unerwartet ab, Linien und Flächen verziehen und verzerren sich. Fast scheint es, als hätten sich die Bestandteile eines strengen Regelwerks verselbstständigt, um auf eigenwillige Weise neu zusammenzufinden. „Test Pattern“ lässt die fruchtbaren Fehler, die aufregenden Störungen und kreativen Abweichungen von einem System deutlich werden, die wiederum Normtabellen oder Raster paradoxerweise erst bedingen – und macht so die spannungsvolle Beziehung spürbar zwischen dem Hang zu Normierung und gesetzmäßiger Logik auf der einen Seite und der Notwendigkeit von Experiment und gestalterischer Freiheit auf der anderen.
Ein solch übergreifendes Verständnis von Gestaltung lässt sich auch auf den Alltag der Schule übertragen. Dort gibt es jenseits von Funktionalität, Effizienz und Zielorientierung auch Übergangs- und Zwischenphasen, Leerlauf und Pausen, die genauso wichtig sind wie der Unterricht, sagt der Künstler Wawrzyniec Tokarski, der „Test Pattern“ entworfen hat. In diesem Sinne geht es ihm um ein harmonisches Gleichgewicht zwischen sinnvoller Systematik und freier Kreativität, zwischen Unabhängigkeit und Gemeinschaft, Freiheit und Rücksicht. Denn die Balance zwischen den Polen ist, ebenso wie das Aushalten von Gegensätzen und Widersprüchen, die wesentliche Voraussetzung für eine starke Gemeinschaft, die bereit ist, sich konstruktiv weiterzuentwickeln. Die Schule, so könnte „Test Pattern“ vermitteln, ist mehr als nur ein Ort, an dem die Werkzeuge für Gestaltungsberufe bereitgestellt werden. Auch die Fähigkeit, komplexe Situationen zu analysieren, Unterschiedliches oder zunächst Unvereinbares abzuwägen und eigene Werte zu entwickeln, kann maßgeblich zur Gestaltung eines gelingenden (Berufs-)Lebens beitragen.
Kontext
Das Kunstwerk „Test Pattern“ von Wawrzyniec Tokarski wurde im Rahmen eines Kunst-am-Bau-Wettbewerbs für den Neubau der Berufsschule für Farbe und Gestaltung von der Kunstkommission zur Realisierung empfohlen. Es bespielt den zentralen Luftraum des Gebäudes und eröffnet von allen Geschossen aus unterschiedliche Perspektiven und Wahrnehmungen. Der Neubau der Berufsschule, bestehend aus Mensa, Unterrichts- und Verwaltungsräumen, Aula, Ausstellungsfläche sowie einer Zweifachsporthalle, wurde im Sommer 2025 fertiggestellt. Das sich über alle Stockwerke erstreckende Kunstwerk wurde in Zusammenarbeit mit den Schüler:innen der Berufsschule ausgeführt und macht den gestalterischen Prozess selbst zum Bestandteil des Gebäudes. Architektur und Kunst greifen hier ineinander und schaffen einen Lernort, an dem Gestaltung räumlich erfahrbar wird.