Zeitschleife
Beate Engl
2022
öffentlich zugänglich
Grundschule Haager Straße 14-18, 81671 München
Planung und Produktion: Pancho Schlehhuber
Mehrteilige Skulptur: Bestands-Gleis im Schulhof, Steilkurve auf dem Vorplatz, Wilde Maus im Foyer und Looping vom Dach in den Lichthof (1./2. OG). Stahl verzinkt und grün lackiert im Farbton DB601, Bestandsgleis, Original-Prellbock
Architektur: Raum und Bau Planungsgesellschaft, München
Landschaftsarchitektur: Stautner und Schäf, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner, München
Fotos: Henning Koepke
Text: Heinz Schütz
Schulen sind ernsthafte Lernorte. Achterbahnen dienen dem Vergnügen. Wer an die Schule denkt, denkt nicht an eine Achterbahn, es sei denn sie wird zur Metapher und bezeichnet das durch Leistungen und Bewertungen bedingte Auf und Ab der Schüler:innen und ihrer Emotionen. Reale Achterbahnen sind eine Gegenwelt zur Schule, eine Welt des rauschhaften Vergnügens, in der man mit Hochgeschwindigkeit in die Tiefe gestürzt, in waghalsigen Kurven gedreht und in Loopings auf den Kopf gestellt wird – ein Körpererlebnis mit Nervenkitzel.
Mit ihrer Großinstallation „Zeitschleife“ schlägt Beate Engl eine skulpturale Brücke zwischen Schule und Achterbahn, aber auch zwischen Außen- und Innenraum, Vergangenheit und Gegenwart. Wie zuvor in anderen Arbeiten, in denen sie Bestehendes aufgreift und etwa eine Straßenlaterne in einen Ufo-artigen Lautsprecher oder einen Bürostuhl in eine „Burnout-Maschine“ verwandelt, spielt auch hier das Transformatorische eine entscheidende Rolle. Der Ausgangspunkt der „Zeitschleife“, der die Ortsgeschichte ins Spiel bringt, liegt im Außenbereich der Schule: ein heute kaum mehr wahrnehmbares Abstellgleis der Firma Pfanni, die hier von 1949 bis 1996 Kartoffelprodukte herstellte. Engl setzt das Eisenbahngleis aufgeständert als Fragment einer Achterbahn-Steilkurve fort und verwandelt so die imaginierte Eisenbahn in eine imaginierte, das Schulgebäude durchdringende Achterbahn. In der Eingangshalle schwebt das Gleis im Raum. Mit Kurven, die an das Fahrgeschäft „Wilde Maus“ erinnern, verschwindet es senkrecht in der Decke und taucht als Looping im Außenraum des Dachgeschosses wieder auf, wo es dann in den hier montierten Prellbock, des einstigen Abstellgleises mündet.
Das „Pfanni-Gelände“ entwickelte sich nach dem Abzug der Fabrik für ein Jahrzehnt zuerst als „Kunstpark Ost“ und dann als „Kultfabrik“, mit unzähligen Clubs und Diskotheken zu „Europas größter Partyzone“. Engls „Zeitschleife“ überträgt ein „Instrument“ des Freizeitvergnügens in den schulischen Kontext. Nicht weit von ihrer „Achterbahn“ steht für einige Jahre ein Riesenrad. Es scheint mit Engls Achterbahn zu korrespondieren. Scheint – denn Engls „Zeitschleife“ verharrt nicht im Funktionalen. Ihre die Schule durchdringenden Gleise sind nicht befahrbar, stattdessen entfalten sie eine formale und symbolische Kraft. Sie appellieren an die Imagination und die Freiheit, sich über das Bestehende mit seinen Zwängen zu erheben.
Kontext
Das Kunst-am-Bau-Projekt „Zeitschleife“ der in München lebenden Künstlerin Beate Engl entstand für den Neubau einer 4-zügigen Grundschule im Stadtbezirk 14 Berg am Laim im Planungsgebiet Werksviertel. Das Bauprojekt ist Bestandteil der Schulbauoffensive. Der von Beate Engl eingereichte Wettbewerbsvorschlag wurde 2018 von der Kommission für Kunst am Bau und im öffentlichen Raum bestätigt.