Freiham illuminata // Luce del respiro

Olaf Nicolai, Lichtplanung: Daniel Slota & Jan Dinnebier

2023

öffentlich zugänglich

Bildungscampus & Sportpark in Freiham, Bodenseestraße 400, 81249 München

Kunst-Licht-Projekt

Architektur: Bildungscampus: Schürmann Dettinger Architekten mit Auer Weber (Campusmitte), München / Architektur Sportpark: Georg Scheel Wetzel Architekten, Berlin

Landschaftsarchitektur: Freianlagen Bildungscampus und öffentliche Grünfläche: Keller Damm Kollegen Landschaftsarchitekten Stadtplaner, München / Freianlagen Sportpark und öffentliche Grünfläche: Lützow 7 Müller Wehberg Landschaftsarchitekten, Berlin

Fotos: Florian Holzherr (und Video)

Text: Bernhart Schwenk

Wer in der Abenddämmerung oder des Nachts in den Grünflächen im Bildungscampus und Sportpark von Freiham spazieren geht oder ihn einfach nur durchquert, erlebt etwas, was sonst nirgendwo zu erleben ist. Die künstliche Beleuchtung ist nicht statisch, sie verändert sich. Subtil und kaum merklich wandeln sich Helligkeit und Temperatur des Lichts. In langen Frequenzen schwillt die Beleuchtung an, pulsiert, klingt ab. In kleineren und größeren Zeitabständen entstehen auf diese Weise in den Grünflächen ganz unterschiedliche Stimmungen und atmosphärische Qualitäten.

Wie geht das? Stehen die Leuchten an den Wegrändern untereinander in Kontakt? Oder reagieren sie auf Lebewesen, die sich durch die Grünanlagen bewegen, auf Tiere oder auf Menschen, allein oder zu mehreren, joggend, auf dem Fahrrad oder mit Hund? Wie dem auch sei, der Park wirkt lebendig. Er erweckt den Eindruck, als würde er in der Dunkelheit atmen.

Genau das ist der Grundgedanke des Lichtkunstwerks, das der Künstler Olaf Nicolai konzipiert und gemeinsam mit den Lichtplanern Daniel Slota und Jan Dinnebier speziell für diesen Ort umgesetzt hat: „Freiham illuminata // Luce del respiro“ inszeniert die Grünflächen im Bildungscampus und Sportpark von Freiham als einen einzigartigen Organismus. Dabei zeigt bereits der italienische Titel – deutsch „Erleuchtetes Freiham // Licht des Atems“ – an, dass die Installation unmittelbar mit den Bewohner:innen des Stadtteils verbunden ist.

Tatsächlich entsteht die Beleuchtungskomposition durch die Verarbeitung von Daten, die in Freiham erzeugt werden – also durch Daten, die der Stadtteil gewissermaßen selbst „schreibt“. Im Einzelnen handelt es sich um Daten von lokalen Bewegungsmeldern, Temperaturverläufe, aber auch die Anzahl der Bewohner:innen oder neu zugelassener Autos in Freiham. Mit all diesen Daten wird ein Computerprogramm gespeist wie ein Lebewesen mit Nahrung. Dabei bleibt bewusst offen, was mit dieser „Nahrung“ genau passiert und welche energetische Wirkung sie im Detail entfaltet. Denn so unverwechselbar die erfassten Daten sind, so wenig eindeutig lassen sie sich im daraus entstehenden Lichtkunstwerk ablesen.

Die Programmierung erzeugt durch die Zugabe jeweils aktueller Daten immer wieder neue Kombinationen von Lichteffekten, -intensitäten und -rhythmen, deren Abfolge sich eigenständig fortführt – ähnlich, wie sich auch der neue Stadtteil weiterentwickelt. Die Bewohner:innen von Freiham, ebenso wie andere Menschen, erleben sich als Teil eines komplexen, staunenswerten Systems, das sich aus unzähligen, gleichzeitig stattfindenden Vorgängen zusammensetzt, die wiederum durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden. Wohin die jeweiligen Entwicklungen steuern und wie sie das einzelne Individuum betreffen, lässt sich letztlich weder berechnen noch voraussagen. Das Lichtkunstwerk „Freiham illuminata // Luce del respiro“ lädt dazu ein, dieses unerklärliche Ganze auf poetische Weise wahrzunehmen.