Traumarchiv

Sabine Groß

2005

öffentlich zugänglich

Kulturhaus Milbertshofen, Curt-Mezger-Platz 1, 80809 München

Mehrteiliges Projekt für den Innenbereich

Architektur: Reichert-Pranschke-Maluche

Fotos: Wilfried Petzi

Text: Florian Matzner

Traumarchiv
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Überall Hundekot / 015 / Alzheimer / 823 / Im 2. Weltkrieg / 114 / Auf Skiern nach China / 216 / Flutwelle.

Merkwürdige Worte und sonderbare Halbsätze irritieren die Besucher:innen des Stadtteil-Kulturzentrums in Milbertshofen beim Betreten des Foyers. Gleichsam der Öffentlichkeit schutzlos ausgeliefert sind an der Glasfassade Fragmente des Traumarchivs der Berliner Künstlerin Sabine Groß angebracht: ein Archiv, in dem fast 900 Menschen ihre Privatheit und Intimität preisgegeben haben. Wünsche, Träume, Sehnsüchte, Fantasien, in denen die Schnittstelle zwischen Realität und Fiktion verwischt.

Mehr als ein Jahr lang hat Sabine Groß mit vorwiegend Milbertshofener Anwohner:innen gearbeitet und sie gebeten, ihre Träume aufzuschreiben und bei ihr abzuliefern, gekennzeichnet durch die Initialen und das Alter der jeweiligen Autor:innen. Diese Aufzeichnungen hat die Künstlerin anschließend redaktionell überarbeitet, nummeriert und katalogisiert, so dass ein umfassendes Kompendium zeitgenössischer Ängste und Wünsche des frühen 21. Jahrhunderts entstanden ist, dessen Bedeutung vor allem in der verallgemeinerten Aussage einer individuellen, ja intimen Äußerung liegt.

Der Befindlichkeit einer ganzen Generation gekennzeichnet durch Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Zukunftsangst wird ebenso provokativ wie einfühlsam die persönliche Welt des einzelnen Menschen gegenübergestellt. Doch die Traumfragmente auf der Glasfassade sind nur ein Teil der interaktiven Installation. Im Foyer selbst befindet sich ein Sitzmöbel, in dem bis zu drei Personen Platz nehmen und über Lautsprecher Träume anhören können.

Dieses zufällige Hörspiel wird durch das verwissenschaftlichte Textarchiv im ersten und zweiten Geschoss hinter der Glaswand konzeptuell vervollständigt: Hier sind die Träume auf Karteikarten schriftlich erfasst und nach Stichworten geordnet, so dass sich die Besucher:innen in verschiedene thematische Felder einarbeiten können und gleichsam eintauchen in die Welt eigener und anderer Phantasien.

Jenseits der sozialen und gesellschaftlichen Bedingtheiten oftmals banaler Alltagsabläufe ist so eine präzis dokumentierte Traumwelt entstanden, die die Besucher:innen einlädt, eben diese Schnittstelle zwischen Objektivität und Subjektivität, zwischen Realität und Fiktion zu überschreiten – denn, wie Oscar Wilde einmal formuliert hat: Das Leben ist das, was passiert, während wir an etwas anderes denken.

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